Informationsabend UA „Treuhand in Thüringen“ 31. Januar 202431. Januar 2024 Am Dienstag, dem 23. Januar 2024, waren unser Landtagsabgeordneter Olaf Müller und der Referent für die Begleitung des Untersuchungsausschusses Andreas Leps in unserer Geschäftsstelle zu Gast. Sie sind Mitglieder im Untersuchungsausschuss „Treuhand in Thüringen“. Nachdem Andreas Leps erklärte, wie im Allgemeinen ein Untersuchungsausschuss einberufen wird und arbeitet, ging Olaf Müller im Speziellen auf die Ergebnisse des Untersuchungsausschusses „Treuhand in Thüringen“ ein. Dieser wurde 2021 auf Antrag der CDU sowie der AfD gebildet. Er tagte bisher insgesamt 16 mal. In 11 öffentlichen Sitzungen wurden rund 60 Sachverständige, Zeuginnen und Zeugen angehört und befragt. Viele Akten wurden gesichtet. Im Juni 2024 soll voraussichtlich der Abschlussbericht vorliegen. Gegründet in der Spätphase der DDR, entwickelte sich die Treuhandanstalt zur zentralen Behörde der ökonomischen Transformation im Osten. Ihre Aufgabe war die rasche Privatisierung der volkseigenen Betriebe (VEB) und die Einleitung eines wirtschaftlichen Strukturwandels. Nach der Wiedervereinigung wurde das Treuhandgesetz in Bundesrecht übernommen. Das Ziel der Treuhand formulierte Birgit Breuel 1991 so: “Schnell privatisieren, weil wir der Auffassung sind, dass Privatisieren die beste Form der Sanierung ist. Das zweite Motto heißt: Entschlossen sanieren. Da, wo Zukunft möglich ist, soll Sanierung durchgeführt werden, um auch hier den Menschen mehr Mut und Hoffnung zu machen. Und das dritte Motto heißt: Behutsam stilllegen.“ Das Bundesfinanzministerium richtete ein Sondergremium ein. Dieses beurteilte die Zukunftsperspektiven der einzelnen Betriebe. Ergebnis war eine Eingruppierung auf einer Notenskala, die von sofortiger Privatisierung über verschiedene Grade des Sanierungsbedarfs bis hin zur unmittelbaren Schließung reichte. Zumeist folgte der Treuhand-Vorstand diesen Empfehlungen. Das Ergebnis der Treuhand-Tätigkeit ist so bekannt wie niederschmetternd. Bis zum 31.12.1994 wurden von insgesamt 12.354 Treuhandunternehmen 53 % privatisiert (6.546). 13 % wurden reprivatisiert. Dabei handelte es sich um Betriebe, die von der DDR verstaatlicht und nun an die ehemaligen Besitzer zurückgegeben wurden. Etwa 30 % der Betriebe wurden abgewickelt. Von den ca. 4 Mio. Arbeitsplätzen in der Industrie blieb ungefähr ein Drittel übrig. Die Arbeitslosigkeit in Ostdeutschland betrug zeitweise 50 %. Viele wurden in Abeitsbeschaffungsmaßnahmen und Umschulungen überführt. Für die damalige Bundesregierung war die Treuhand sehr bequem. Für alles Negative war allein die Treuhand verantwortlich. Für das Gute, für die Ankündigung von „blühenden Landschaften“ war die Regierung Kohl zuständig. Das öffentliche Urteil über die Arbeit der Treuhandanstalt ist weit überwiegend negativ, vor allem im Osten. Klar ist aber auch, dass es keine Blaupause für die Überführung einer ganzen Volkswirtschaft in ein neues System gab. Sicher wurden Fehler gemacht, aber eine einache Lösung gab es auch damals nicht. Im Westen ist die Treuhand aus dem öffentlichen Gedächtnis weitgehend verschwunden. Die Privatisierung der Betriebe brachte für viele Menschen nicht nur Erwerbslosigkeit, sondern auch den Verlust einer sicher geglaubten, auf den Betrieb bezogenen Lebens- und Arbeitswelt. Das prägt die Erfahrungen der Betroffenen bis heute. Viele verbinden mit ökonomischem Strukturwandel Verlustängste und lehnen Veränderungen in der deutschen Wirtschaft ab. Gerade jetzt befinden wir uns wieder in einer Phase des Umbaus. Viele Menschen reagieren darauf mit Ablehnung. Das ist in den neuen Bundesländern stärker ausgeprägt als in den alten. Es war ein interessanter Abend. Die Anwesenden konnten ihre persönlichen Erfahrungen aus dieser Zeit austauschen. Auch wenn die Arbeit des Untersuchungsausschusses nichts gravierend Neues erbracht hat, lassen sich im Nachhinein interessante Rückschlüsse ziehen, warum die Löhne in den neuen Bundesländern noch immer niedriger ausfallen und besonders hier die Angst vor wirtschaftlichen Veränderungen so groß ist