Völkerschau und Reichskolonialdenkmal

Stadtführung mit Abstand

Den Mittwochabend nutzte “unsere” MdL Madeleine Henfling, um sich auf ihrer Sommertour über Aspekte der kolonialen Vergangenheit Eisenachs zu informieren. Dr. Juliane Stückradt begleitete unsere Gruppe durch die Eisenacher Südstadt und die koloniale Stadtgeschichte seit 1900.

Ausgehend von der Hochzeit des Kolonialismus im Kaiserreich ab 1884 führte sie kompetent durch Aspekte wie die zeitgemäße Kolonialaffinität des Großherzogs Carl-August von Sachsen-Weimar-Eisenach, die Anwesenheit und Aktivitäten regionaler und nationaler kolonialer Vereinigungen im Eisenach der Kaiserzeit und letztlich dem Bruch in der Entwicklung Eisenachs durch den Verlust der Kolonien nach 1918. Schon in dieser Zeit sind koloniale Völkerschauen im Mariental verbürgt.

Aber viel interessanter waren die Fakten, welche uns Dr. Juliane Stückradt auf der Fedora-Promenade im Johannistal bis zur ehemaligen Waldgaststätte “Waldschänke” nahe brachte:

Beginnend bei dem Vorhaben eines “Reichskolonialdenkmals” in der Ludwigsklamm unterhalb der Herzogseiche aus den 30er Jahren zogen sich ihre Ausführungen bis zu einer durch den damaligen Besitzer der “Waldschänke” organisierten Kolonial- und Völkerschau im Jahre 1927.

Fotos bezeugen
eine interessante Runde
Dr. Juliane Stückradt
Annoncen anno 1927

 

 

 

 

 

Diese letztlich nicht erfolgreiche Veranstaltung zeigte zum einen, wie 1927 ethnische Klischees, ein Bildungsanspruch und die Erinnerung an eine “glorreiche” Vergangenheit aufeinander trafen. Dr. Stückradt gelang es im Rahmen ihrer Forschungen, einzelne Namen und damit auch teilweise Biografien sichtbar zu machen. Im Unterschied zu Völkerschauen vor 1918 zeigte sich ein Unterschied  bei den Protagonisten. Sie sind jetzt in Mitteleuropa lebende Menschen einer Biografie, welche sie zwang, ihren Lebensunterhalt mit dieser Form der “Folkloristik” zu bestreiten. Es zeigte sich, dass Menschen, die auf den Fotos, die sich bis heute erhalten haben, zu sehen waren, noch bis vor Kurzem lebten.

Am Ende der Veranstaltung waren allen klar, dass es immer noch Aspekte der Eisenacher Stadtgeschichte gibt, die nicht oder nur ungenügend erforscht und damit auch aufgearbeitet werden müssen. Wir danken Dr. Juliane Stückradt für diesen Erkenntnisgewinn.